Weltweit steht Myanmar nicht in der Gunst der Spendengemeinschaft. Die Menschen des Landes aber sind nach dem Erdbeben darauf angewiesen.
updated 04/22/2025.
English Version below
“Myanmar belegt nicht den ersten Platz, wenn es um die verschiedenen Notsituationen in der Welt geht”, sagte Marcoluigi Corsi / Koordinator für Humanitäre Angelegenheiten in Myanmar am 1. April in Yangon.
Nach dem Erdbeben vom 28.3.2025 wird intensiv zu Spenden aufgerufen, doch Myanmars Image ist mehr als getrübt.
Es gibt Bedenken, Geld in ein Land zu schicken, von dem in den letzten sieben Jahren über die Gewalt an den Rohingya, den coup d’état (2021), die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen, die erneute Militärregierung, Flucht, Vertreibung, Bürgerkrieg, Zwangsrekrutierung berichtet wurde.
Und nun ein Erdbeben, das Millionen von Menschen betrifft. Myanmar ist ein Land in Instabilität und Chaos.
Viele fragen sich, ob ihre Hilfe bei den in Not geratenen Menschen ankommen wird.
OCHA, International Crisis Group
Kurz nach dem Beben meldete das PAGER System des United States Geological Survey (USGS) Red Alert/Alarmstufe Rot für Myanmar.
Seitdem erstellt OCHA (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs. Humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen) up to date-Einschätzungen. Die social media sind voller Informationen, noch berichten die Medien und die International Crisis Group (ICG) veröffentlichte am 04.04. 2025 einen Podcast mit ihrem Myanmar-Experten Richard Horsey. Folgendes lässt sich daraus skizzieren:
In Myanmar sind Magway, Nay Pyi Taw, Sagaing, Mandalay, Bago und Shan zu Notstandsgebieten erklärt worden, in Thailand wurden in 18 Provinzen Schäden gemessen. In Myanmar sind 17 Millionen Menschen betroffen, davon 9 Millionen in Sagaing und Mandalay. Bis zum 9. April allein gab es 70 Nachbeben. Dies sind unvorstellbare Zahlen, hinter denen sich große Not verbirgt.
Während in den ersten Tagen sämtliche Hilfe unreguliert zugelassen wurde, gibt es seit dem 5. April in Mandalay einen Erlaubniszwang durch das Militär.
Extreme Mangellage
Es fehlt im Erdbebengebiet an allem.
Besonders herausfordernd ist die Situation der Behausung und der medizinischen Versorgung, teilweise ohne Strom und Wasser.
Aus Angst kehren viele nicht in ihre Häuser zurück oder haben gar keine mehr.
Die meisten Verletzten, Traumatisierten können nicht angemessen versorgt werden, weder psychisch noch physisch. Laut OCHA handelt es sich bei den Verletzungen um Brüche, offene Wunden und das “crush-syndrom”, verursacht durch Verletzungen der Skelettmuskulatur. Das Infektionsrisiko ist enorm.
Die sanitären Verhältnisse lassen den Ausbruch von Krankheiten – wie etwa Cholera – erwarten (OCHA 31.03.2025).
Die in den letzten Jahren gelegten Landminen wurden durch das Beben teilweise weggeschleudert und sind noch unkontrollierbarer als zuvor. Es ist die heißeste Zeit des Jahres, der Monsoon hat noch nicht eingesetzt. Wird er im nächsten Monat beginnen, kommt es zu neuen Notsituationen.
Besonderes Augenmerk müsste den Kindern in ihrer Schutzbedürftigkeit gelten (OCHA 31.03.2025), doch ist dies ist, wenn überhaupt, nur bedingt möglich.
Die internationalen Hilfsorganisationen – “big aid” – haben ihre Arbeit aufgenommen und erfassen zugleich noch die Schäden.
Angesichts der Lage müsste der Humanitarian Fund 2025 für Myanmar aufgestockt werden, der auf 1,1 Millliarden US-Dollar ausgelegt war. Vor dem Erdbeben gab es bei den größten Geberländern noch eine geringe Zahlungsmoral. Bis Ende Februar hatten zwei Länder insgesamt gut 12 Millionen US-Dollar überwiesen. Inzwischen jedoch haben alle fünf Länder eingezahlt.
Das Militär
Grundsätzlich spielt im Katastrophenschutz das Militär weltweit eine feste Rolle: bei Bergungs- und Aufräumarbeiten, der Essensverteilung, Absicherungen.
In Myanmar ist dies zur Zeit keine Option. Abgespalten von der Bevölkerung, können gerade in Magway, Sagaing und Mandalay burmesische Soldaten unmöglich als Helfer wahrgenommen werden. Dort wurde im in den letzten Jahren verbrannte Erde hinterlassen, die Gräben zwischen der Zivilbevölkerung und dem Militär sind unüberbrückbar.
Die Ressourcen des Militärs gelten nach vier Jahren Bürgerkrieg als ausgelaugt.
Deshalb interpretiert Horsey die auch nach dem Beben fortgesetzten Luftangriffe gegen die Widerstandsbewegung in Sagaing und dem südlichen Shan Staat als eine Geste der Schwäche des State Administration Council (SAC), also des Militärrates. Ziel sei es, den seit Oktober 2023 wachsenden Kontrollverlust einzudämmen.
Der Waffenstillstand mit Dauer vom 2. bis zum 22. April 2025 wird als umstritten eingestuft.
China und die USA
Hinzukommt die Zurückhaltung der USA.
Im Januar 2025 wurden nahezu sämtliche Gelder von USAID eingefroren. Die entstandene Finanzierungslücke ist auch für Myanmar so groß, dass sie laut Richard Horsey “von keinem anderen Land geschlossen werden kann.”
Der amerikanische Anteil für humanitäre Hilfe in Myanmar lag vor dem Beben zwischen 40 und 50 Prozent. Es war der Löwenanteil internationaler Unterstützung.
Mit Blick auf Aid Diplomacy gibt es deutliche Unterschiede zwischen China und den USA: Während China 13 Millionen Dollar zur Verfügung stellte und sofort erfahrene teams (Sechuan-Beben 2008) entsandte, gaben die USA bis Anfang April 2 Millionen Dollar (ICG, 04.04.2025). Nur wenige der als exzellent geltenden amerikanischen Rettungsteams trafen eine Woche nach dem Beben ein.
Anders als am 28.03.2025 angekündigt, lief die US-Hilfe für Myanmar also zögerlich an. Dies ist historisch nicht verwunderlich, denn seit Myanmars Unabhängigkeit mieden die USA jede öffentliche Präsenz im Land. Der Besuch der amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton (2011) war eine Ausnahme.
Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe werden nun Stimmen laut, die USA “müssten ihren Kurs in Myanmar ändern“.
Private Initiativen von Thailand aus, funktionierende Netzwerke
Die großen Hilfsorganisationen sind auf die starken zivilgesellschaftlichen Netzwerke in Myanmar angewiesen sind. Diese Stärke entspringt der Notwendigkeit gegenseitiger Hilfeleistung, weil es nur schwach ausgebildete oder gar keine staatlichen Fürsorgeleistungen gibt.
Zwar schreibt OCHA man bemühe sich, “die lokalen Hilfsorganisationen auf kommunaler Ebene zu unterstützen”, doch unterstützen gerade auch die lokalen Organisationen die internationalen Organisationen in besonderem Maße.
Sie sind wegen ihrer Situationskompetenz, der Orts- und Sprachkenntnisse unverzichtbare Kooperationspartner.
Es gibt daneben viele Initiativen, die auf sich gestellt und unabhängig arbeiten. Dazu zählen diejenigen, die sofort nach dem 28.3. aus der Exilgemeinde in Chiang Mai heraus entstanden sind.
Sie alle arbeiten unter hohen Sicherheitsvorkehrungen, wenn sie die organisierten Spenden über ihre Netzwerke nach Myanmar bringen lassen. Deshalb muss jede Dokumentation ihrer Arbeit mit unkenntlich gemachten Identitäten arbeiten.
Diese Initiativen sind Beispiel für die Effizienz der lokal organisierten Hilfe, die oftmals zusätzliche Hilfsbereitschaft gerade auch in Thailand erzeugt. Um ein Beispiel zu nennen: Mitunter kommt es zu spontanen Spenden, wenn in einer Apotheke in Chiang Mai bekannt wird, dass die erworbenen Dinge in das Erdbebengebiet von Myanmar gebracht werden.
Die Helferinnen und Helfer vor Ort berichten, dass die verschont Gebliebenen Essen in die Krankenhäuser und Krankenstationen bringen und selbst nur etwas essen, falls etwas übrig bleibt.
Es ist dabei nicht nur das merit-making des Buddhismus, das selbstloses Helfen zur Selbstverständlichkeit macht, sondern ein in Jahrhunderten gewachsenes Sozialsystem.
“This is about millions of people and many months”
Beobachter wie Horsey betonen, dass das Erdbeben für Millionen Menschen eine langfristige Notsituation bedeutet. Das Medieninteresse wird nachlassen – und dann?
Angesichts des überwältigenden Mangels und aller genannten Herausforderungen bitten die großen Organisationen inzwischen um die Einrichtung eines Dauerauftrags. Dieser Wunsch gilt auch für die kleinen Initiativen.
Möglichkeiten zum Spenden
Neben anderen internationalen Organisationen wie der “Nothilfe Myanmar” der Vereinten Nationen, wo ausdrücklich um eine Dauerspende gebeten wird, bietet der Zusammenschluss “Aktion Deutschland hilft” verschiedene Notgebiete zum Helfen an. Zur Zeit steht Myanmar an erster Stelle.
Für die Initiative in Chiang Mai, deren Arbeit hier bildlich dokumentiert wurde, können Spendengelder an das folgende Konto überwiesen werden:
Johanna Neumann IBAN DE15 4306 0967 1138 9082 00 BIC GENODEM1GLS “Spende Erdbeben Myanmar. Projekt Sagaing”
Johanna Neumann ist eine Myanmar-erfahrene Südostasienforscherin. Sie lehrt zur Zeit die burmesische Sprache an der Berliner Humboldt Universität und ist in direktem Kontakt mit der Initiatorin von “Projekt Sagaing”.
Auch die Stiftung Asienhaus in Köln besitzt reiche Myanmar-Expertise. Die Stiftung hat ebenfalls einen Spendenaufruf eingerichtet.
Donating for Myanmar?
Myanmar is not favored by donations worldwide. But the people of the country are in need of it.
Marcoluigi Corso, Coordinator of Humanitarian Affairs in Myanmar, stated on April, 1 in Yangon, that “Myanmar, did not rank very high among the different emergencies” and that it would “deserve a higher attention“.
After the earthquake, there is a calling for donations, yet, Myanmar’s image is more than opaque. People doubt to send money in country being the country of violence against the Rohingya, the coup d‘ état of 2021, of violently oppressed demonstrations, the anewed military regime, a civil war, and conscription.
Now, there was an earthqake hitting milllions of people.
Myanmar has the image of a country being in instability and chaos and many potential donors are questioning the efficience of their help.
OCHA, International Crisis Group
Shortly after the earthquake, the USGS-PAGER System announced Red Alert for Myanmar.
OCHA has reported on the situation ever since, the social media channels are full of information, the media still report, too, and the International Crisis Group published a podcast with its Myanmar expert Richard Horsey on April 4, 2025 .
Here is a rough picture:
In Myanmar, in Magway, Nay Pyi Taw, Sagaing, Mandalay, Bago, and Shan, the state of emergency has been declared (March, 28, 2025). In 18 provinces in Thailand damages has been assessed.
In Myanmar, at least 17 million people including 9 million in Sagaing and Mandalay are concerned. Until April 9, 70 afterquakes were measured.
These are unimaginable numbers hiding situations of extreme misery.
During the first days, all help could be given unlimited, whereas now, at least in Mandalay permissions are needed since April 5. They are to be obtained from the military.
A Situation of Extreme Need
In the area of disaster, there is a need of everything.
Especially challenging are the situations of housing and that of medical care. Partially, there is a total lack of water and power supply.
Traumatized, many people fear to return to their houses, if ever
Most of the wounded and traumatized cannot be cared for adequately neither physically nor psychologically.
According to OCHA, there are fractures, open wounds and the so-called ‚crush-syndrom‘, there is a high risk of infections. Conditions of hygiene and sanitary are bad. The outbreak of diseases like Cholera is expected (OCHA 31.03.2025).
Landmines, laid in the last couple of years, have been displaced by the earthqake, and are nowe more uncontrollable than ever.
It is the hot season, the monsoon has not started yet. Onsetting, there will be new challengings ahead.
Childrens are increasingly in need of protection as OCHA stresses. This protection is by no means guaranteed.
The international aid organizations, “big aid“, have started organizing help, simultaneously assessing the damages.
The Humanitarian Fund 2025 for Myanmar with a request of US$ 1,1 billion so far is to be enlarged, but donors are slow in giving anyway https://www.unocha.org/myanmar.
The Military
Basicly, all over the world, the military has its role when it comes to disaster management.
Currently, in Myanmar this is no option.
The military is separated from the population, and especially in Magway, Sagaing and Mandalay the soldiers of the Burmese army by no means can be perceived as helpers.
In the last three, four year, a policy of scorched earth has been persued. The trenches between the military and the civilian population are unbridgeable for the moment.
After four years of civil war, the military’s resources are stretched to the limit.
As a consequence, Horsey calls the air attacks ordered even after the earthqake, a symptom of the State Administration Council’s weakness showing its fear of more and more losing control.
The ceasefire valid April 2 to April 2022 is highly contested
China and the USA
To be added is the United States‘ position of restraint.
For the moment, all funds of USAID are frozen. So, the financial gap in Myanmar is that big that “no other country will be able to close it“ as Horsey states.
Before the earthquake, the Americans signed for 40 to 50 percent of all humanitarian aid for Myanmar. It was the lion’s share of international support.
Looking at current Aid Diplomacy there are significant differences between both rivals in the Indo-Pacific.
While China immediately was ready to give US$ 13 million, sending in highly experienced teams (Sechuan-earthquake 2008), the US gave US$ 2 million until the first days of April (ICG, 04.04.2025).
Only a few of the excellent rescue teams of the US arrived in Myanmar one week after the earthquake.
So, US aid came slowly and was following a historical pattern. Since the independennce of Myanmar (1948) the USA avoided any openly displayed presence in the country. It was an exception in 2011 when then Secrtary of State Hillary Clinton (2011) visited Myanmar.
Due to the current catastrophe a new course of the United Stated in Myanmar is called for.
Private Initiatives from Thailand, Functioning Networks
In a certain way, the big aid organisations like the agencies of the United Nations, the ICRC, care or Caritas international depend on Myanmar’s strong civil society and its networks.
This civil strength of supporting each other unconditionally causes in a weak or total lack of social welfare delivered by the state.
OCHA may write “that the international organizations are mobilizing to support local organization“, but it is also true that the local organiztion are supporting the international ones.
In a currently “broken humanitarian system“ those networks are highly valuable cooperation partners due to their deep knowledge of the situation.
There are also many initiatives working completely independent including those founded immediately after the eartquake in Chiang Mai’s exil community.
All of them give notice to high security standards while sending the collected and organized donations through their networks into Myanmar.
This is why any documentation of their work cannot show real personal identities.
These initiatives are prime examples how efficient local support can be, because it is quick and direct. Those actions generate new charity. Just to cite an example: Once in a while people donate spontaneously hearing that some medical equipment bought in a Chiang Mai pharmacy is meant to go to Myanmar.
The helpers on site report on selfless giving by those spared from the catastophe. Donating food donations they would eat either the leftovers or nothing.
“This is about millions of people and many months”
Observers like Horsey stress that „this is about millions of people and many months“, adding “If the media move on, what will be?
In the face of the overwhelming situation and all the challenges ahead, the big organisations already ask for longterm support. This may be also true for small initiatives.
Some Possibilities to Donate
Close to organizations like “Nothilfe Myanmar” der Vereinten Nationen which asks for longterm support, the alliance of “Aktion Deutschland hilft” offers the world’s emergency spots to be supported. Here, Myanmar ranks first.
For the initiative in Chiang Mai whose work was rouhgly described above, donations are possible via the Berlin account of
Johanna Neumann IBAN DE15 4306 0967 1138 9082 00 BIC GENODEM1GLS “Spende Erdbeben Myanmar. Projekt Sagaing”
Johanna Neumann is a Myanmar-experienced researcher on Southeast Asian affairs. Currently, she lectures on Myanmā language at Humboldt Universität zu Berlin. She is in direct with the initiator of “Projekt Sagaing”.
Also, the Myanmar experienced Stiftung Asienhaus in Cologne/Germany manages an account for donations to Myanmar.