Der Umgang mit den Coup-Flüchtlingen aus Myanmar reflektiert Facetten thailändischer Politik
Living near Thailand’s border or staying in Thailand itself, refugees from Myanmar of diverse backgrounds are in need of a systematic approach of international assistance. Until now, various barriers hinder organisations, like the International Committee of the Red Cross (IRCC), to enter either country. Consequently, humanitarian assistance is mainly delivered by local Civil Society Organizations (CSOs) which are operating in a complex environment without any official status. Thailand is a member of the Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) which is temporarily strenghtening its ties to the U.S., as well as to China. The country is partially giving in to the demands of Myanmar‘s State Administration Council (SAC), hence both countries are guarding their economic interests.
Tausende von Menschen fliehen derzeit aus Myanmar in das benachbarte Thailand, wie sie auch nach Bangladesh, Indien und China fliehen. Während mit der Region Sagaing (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, OCHA, 2.9.2022) Zentralmyanmar besonders von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen ist, ist es besonders auch der Südosten des Landes, der Kayah und der Kayin Staat, der Mon Staat und die Tanintharyi Region, in dem die Menschen unter Gewalt und Flucht leiden.
Seit dem Coup d‘État entstanden in Thailand, das über 2400 km an Myanmar grenzt, provisorische Flüchtlingslager, die aktuell durch eine „komplexe informelle Versorgungsmaschinerie“ funktionieren, wie Refugees International (RI) Mitte Juli schrieb. Alle, die Teil dieser Versorgungsmaschine sind und somit die Flüchtlinge unterstützen, sehen sich drei Barrieren gegenüber: Geldmangel, einem geografisch schwierigen Terrain und dem Druck des burmesischen Militärs.
Lokale Hilfsorganisationen, neue und alte Lager, fehlende Regulierung
Die lokalen zivilen Hilfsorganisationen, die auf beiden Seiten der Grenze massive Unterstützung leisten, sehen einzig in einer „systematisch organisierten Hilfe“ eine Verbesserung der Situation: Anders als bisher, sollte es mithilfe der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) eine offizielle Registrierung der Flüchtlinge geben, um diesen eine Perspektive zum Beispiel durch eine offizielle Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu verschaffen.
Bisher klassifiziert Thailand die Ankommenden als Illegale. Als solche dürfen sie sich nicht frei bewegen und Ziel ist es, sie trotz der Kriegssituation nach Myanmar zurückzuschicken.
Myanmar jedoch nimmt im Wochentakt nur ein bestimmtes Kontingent Rückkehrender auf, sodass sich die Betroffenen in provisorischen und teilweise einfachsten Lagern in Thailand aufhalten.
Thailand besitzt keine Gesetzgebung zur Regelung von Flüchtlingsfragen und ist kein Signatarstaat der Genfer Konvention. Das Management von Asylfragen, Flüchtlingsschutz und Status-Einordnung ist also nicht geregelt.
Zusätzlich zu den Coup-Flüchtlingen leben geschätzte 90 000 Menschen in lang etablierten Lagern, darunter Mae Sot, Mae Sariang und dem größten unter ihnen, Mae La, wo allein 34 000 Menschen leben. In Chiang Mai, der Grenzstadt im Norden Thailands, sammeln sich sogenannte “high profile”-Flüchtlinge, von denen einige Asyl in einem Drittstaat stellen wollen. Chiang Mai ist auch das Zentrum aller Institutionen, Organisationen und Individuen, die nicht länger direkt in Myanmar tätig sein wollen oder können, ihre Myanmar-Aktivtäten jedoch nicht aufgeben.
Zwischen den etablierten Lagern wie Mae Sot und den im Kayin und Kajah- Staat operierenden bewaffneten Organisationen gibt es stabile Verbindungen. Schon lange habe diese Organisationen Parallelstrukturen für die Zivilgesellschaft beispielsweise im Gesundheits- und Bildungswesen aufgebaut.
Ein immer wieder aufglimmendes Thema ist der Waffenhandel und -transport in der Grenzregion. Bis zum Jahr 1990 “unterstützte Thailand aufständische Gruppen und gestattete Waffenschmuggel” (Bochmann: 2021). Mit dem formalen Ende des Kalten Krieges änderte sich dies. Aktuell ist es ein Tabu-Thema, das im RI-Bericht knapp angesprochen wird.
Schwankende Position
Ob und in welcher Form Thailand für die neuen Flüchtlinge internationale humanitäre Hilfe zulässt, schwankt. Während in den ersten Monaten nach dem Coup eine internationale Zusammenarbeit möglich war, wurde diese ohne Erklärung später eingestellt. Betroffen hiervon waren sowohl das Internationale Rote Kreuz als auch Organisationen der Vereinten Nationen.
Der Irrawaddy schrieb im Juli, das burmesische und das thailändische Militär kooperierten bzw. “steckten unter einer Decke”.
In einem zeitlichen Zusammentreffen des G 20-Gipfels auf Bali Anfang Juli 2022 war es dann möglich, den Südosten Myanmars punktuell mit Hilfsgütern versorgen zu lassen. Vertretern des U.S. State Departments war es im Vorfeld gestattet worden, die thailändischen Lager an der Grenze zu Myanmar zu besuchen.
Die humanitäre Hilfe durch Asean Humanitarian Assistance (AHA), der Hilfsorganisation der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) ist bei den lokalen Hilfsorganisationen unwillkommen. Grund ist, dass der burmesische Militärrat bei AHA ein Mitspracherecht besitzt und so über die Zuordnung der Hilfsgüter (mit)entscheidet. Auch die National Unity Government wird von den CSOs kritisiert, da sie sich um Situation und Bedürfnisse der Vertriebenen “zu wenig bemüht”.
RI nennt als pauschale Zahlen, dass “seit dem Coup international für eine Million hilfsbedürftige Menschen in Myanmar Hilfsleistungen von 10 Millionen US-Dollar” erbracht wurden.
Internationale Beziehungen
Thailand, niemals kolonisiert, legt sich in internationalen Beziehungen nicht fest. Gerade stärkt es die jahrzehntealte Beziehung zu den USA. Gleichzeitig läuft ein Vertrag mit der Volksrepublik China über die Lieferung von U-Booten der Yuan-Klasse, und mit Russland wird unter anderem im Bereich Tourismus verhandelt.
Der amerikanische Außenminister traf im Nachgang zum G-20-Treffen im Juli 2022 den thailändischen Premierminister General Prayut Chan-o-cha. Neben Klimafragen und der Situation in Myanmar stand „das Vorankommen der amerikanischen Indo-Pazifik-Strategie“ auf der Agenda. Die USA suchen seit den 1940er Jahren nach Verbündeten im asiatisch-pazifischen Raum.
Ökonomie
Thailand führt zur Zeit den Asia Pacific Economic Cooperation (APEC)- Vorsitz, den die USA demnächst turnusmäßig übernehmen werden.
Ökonomische Fragen betreffen auch Thailand und Myanmar. Beide Länder betreiben seit den frühen 1990er Jahren einen Handel in Milliardenhöhe. Der burmesische Zoll – die Zahlen sind kritisch zu betrachten – bezifferte den Handel mit Thailand für die ersten drei Monate des Steuerjahres 2022/23, (April bis Juni) in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar.
Myanmar exportierte in den letzten Wochen fast ausschließlich nach Thailand, wobei Exporte die Importe um zwei Drittel übertrafen. Energie aus Myanmar in Form von natural gas ist für Thailand essenziell.
Thailand handelt in der Flüchtlingsfrage vor dem Hintergrund einer eigenen Interessenlage. Eine offizielle Regulierung der herausfordernden Situation scheint momentan damit nicht kompatibel.
Sources
Bangkok Post. 10.8.2022. „Give Myanmar asylum seekers a chance“.
Annett Bochmann. 2021. Public Camp Orders and the Power of Microstructures in the Thai-Burmese Borderland. Lanham Boulder, New York. Online publication.
Global New Light of Myanmar.14.7.2022. „Thailand remains top trade partner among neighbouring countries in Q1“.
OCHA. 2.9.2022. „Myanmar Humanitarian Update“ no. 21.
Reuters. 7.1.2022. „Fleeing violence in Myanmar, thousands camp along Thai border river“.
Daniel P. Sullivan. Refugees International. 12.7.2022. „Paths of Assistance: opportunities for aid and protection along the Thailand- Myanmar Border“.
The EurAsian Times. 3.6.2022. „No Chinese engines please! Thailand ‚rejects‘ to buy Yuan-class submarines from Beijing sans German tech“.
The Irrawaddy. 11.7.2022. „Thailand, US agree to boost ties“.
U.S. Department of State. 5.7.2022. „Secretary Blinken’s Travel to Bali and Bangkok“.