“Back to Myanmar”

Die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen ist in Südostasien nicht etabliert, wie ein aktueller Fall aus Malaysia zeigt

In the first days of October, Burmese refugees were flown back from Malaysia to Myanmar. In doing so, the “persons in concern” have been repatriated into the conflict-torn country, among them defectors of the Burmese Navy. Since the Geneva Convention and its protocol not had been applied, there was no chance to remain in the country. Even though Malaysia has not shown a consistent policy towards Myanmar to this day, the Malaysian government, facing parliamentary elections on November, 19th, this time sided with Myanmar’s military. Generally, Asia and especially Southeast Asia have never accepted the United Nations‘ refugee concept, refuting it as “too Western”. Facing continuous migration from Myanmar and other countries into the region, the Asia-Pacific tends to prefer regional solutions rather than UN-mechanisms. On the long run, the region is still searching for a concept of its own.

Flüchtlinge aus Myanmar, die in den Nachbarländern Schutz suchen, sind seit dem Coup d’État erneut ein Thema geworden.  Hier im Blog ging es zuletzt um Thailands Rolle in dieser Frage.

Anfang Oktober wurden in Absprache mit der Botschaft in Kuala Lumpur 150 burmesische Flüchtlinge aus Malaysia nach Yangon zurückgeflogen, darunter Angehörige der burmesischen Marine, „defectors“,  Deserteure. 

Burmesische Flüchlinge auf dem Rücktransport von Malaysia nach Yangon am 6.10.2022. Sie zeigen das Victory– Zeichen trotz einer ungewissen Zukunft. fein oto: facebook Embassy of the Republic of the Union of Myanmar, Kuala Lumpur.

Einige der Flüchtlinge hatten sich an das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNCHR) gewandt, erfolglos.

Die UN forderten im Nachgang zwar, dass die Staaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) niemanden in das von Konflikten zerrissene Myanmar zurückschicken sollten, bestätigten später auch die Hilfegesuche, doch äußerten sich nicht zum eigenen Handeln.

Malaysia ist seit dem Jahr 1962 Signatarstaat der Genfer Flüchtlingskonvention (1951), ein Umstand, den die BBC gegenteilig berichtete.

Nachfolgende Protokolle wurden jedoch nie unterzeichnet, eine Ratifizierung blieb im Unterschied zu Kambodscha, den Philippinen und Timor-Leste aus. Im letzten Jahr forderte das Internationale Rote Kreuz Malaysia auf, sich erneut der Genfer Konvention zuzuwenden.

In Malaysia können UNHCR-Registrierungskarten ausgegeben werden, die zwar keinen rechtlichen Status bedeuten, jedoch einen gewissen Schutz bieten und begrenzten Zugang zu Ressourcen der Vereinten Nationen ermöglichen. UN-intern wird die Registrierung als eine Art “Kristallisierungsprozess” bezeichnet, der im besten Fall das UN-Flüchtlingsmandat und die nationale Gesetzgebung zusammenbringt, soweit diese existiert. Sie gilt als Lackmus-Test, um zwischen “Wirtschaftsmigrant:innen” und “Flüchtlingen” zu unterscheiden,

source: website UNHCR Malaysia

 Zuletzt wurde im Jahr 2018 ein UN-Papier veröffentlicht, das definiert, wer ein Flüchtling ist und internationalen Schutz benötigt. Maßgebliche Argumentation ist hier, die Menschenrechte zu wahren. Das UNHCR übernimmt eine Wächterfunktion.

Flüchtlingsschutz wird dem Internationalen Recht zugeordnet, funktionierte jedoch im genannten Fall nicht.

In Malaysia waren laut UNHCR Ende September gut 183 000 Flüchtlinge aus über 50 Ländern registriert, davon knapp 159 000 aus Myanmar. Diese Gruppe besteht wiederum zu zwei Dritteln aus den schon länger in Malaysia lebenden Rohingya. Hinzukommen Tausende nicht registrierter Menschen.

Weshalb die Vereinten Nationen bei den jetzt zurückgeschickten Flüchtlingen nur in einem Fall intervenierten, bleibt unbekannt. Es ist jedoch derzeitige Politik, diplomatische Wege nach Myanmar nicht versperren zu wollen.

Myanmar forderte die Diplomatie der Vereinten Nationen bereits vor dem Coup d`État heraus. Er überforderte sie, wie der UN-interne Rosenthal Report (2018) dokumentiert. Er zeigt u.a. eine ambivalente Strategie der UN gegenüber dem Land nach Rakhine 2017/18  auf.

Malaysias Politik gegenüber Myanmar

Malaysias jetzige Entscheidung, mit dem State Administration Council (SAC) zu kooperieren und die Flüchtlinge zurückzuschicken, passt nicht zu der ansonsten oft kritischen Haltung des Landes gegenüber Myanmar.

In den letzten Jahren hatte sich Malaysia oftmals überraschend positioniert: 2017 zum Beispiel bezog es Stellung gegen ein ASEAN-statement in der UN-Generalversammlung, in dem nach Ansicht Malaysias die Sache der Rohingya nicht angemessen artikuliert worden war.

Den Coup d’État bezeichnete es am 5.2.2021 unabgestimmt mit dem Regionalverbund ASEAN  als „schweren Rückschritt für die Demokratie“. Es folgten im Mai 2022 die Aufforderung an ASEAN, mit der National Unity Government (NUG) zusammenzuarbeiten und später die öffentliche Kritik an den Hinrichtungen, die der SAC im Juli 2022 durchführen ließ.

Die Rücksendung der Flüchtlinge ist, so die gängige Erklärung, durch die anstehenden Parlamentswahlen am 19.11.2022 in Malaysia zu erklären. Ob das Land nach den Wahlen einen konsistenten Kurs gegenüber Myanmar einschlagen wird, bleibt offen.

Ablehnung eines Konzeptes: Die Karte spiegelt die Haltung des indo-pazifischen Raumes gegenüber dem UNHCR wider.

Regionalkonzept anstatt UN-Mechanismen

In der ASEAN-Region leben über eine Million staatenloser Menschen, und Hunderttausende Binnenvertriebener, Flüchtlinge und Asylsuchender.  

Die Genfer Konvention, die nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlingselend lindern sollte, fasste in Asien/Südostasien mit den Ausnahmen, die die Karte zeigt, nie Fuß. Als “westliches Konzept” in einer von der Kolonialerfahrung geprägten Welt zurückgewiesen und als “pull-Faktor” abgelehnt, versucht die Region eine eigene Lösung der Flüchtlingssituation.

Im Vordergrund stehen bei dem aktuellen Konzept weniger der Schutz der Menschenrechte als die regional abgestimmte, pragmatische Versorgung der Hilfesuchenden. Als ein Beispiel für die Entscheidung, vorzugsweise Sachleistungen zu erbringen anstatt Flüchtlinge aufzunehmen, gilt Singapores Handeln im Jahr 2016 gegenüber den Rohingya. Die Begründung liegt darin, dass die Figur der Menschenrechte als Kür westlicher rechtlicher Entwicklung gilt. Historisch bedingt, besitzen die Rechtssysteme des asiatisch-pazifischen Raumen einen Hintergrund, in dem dieser Begriff als aufoktroyiert wahrgenommen wird.

Die burmesischen Flüchtlinge wurden mit der Begründung zurück nach Yangon geschickt, ihre Papiere seien “ungültig“.

Burmesische Reisepässe sind fünf Jahre lang gültig. Es gibt in der Exil-Community bereits Unruhe, was mittelfristig zu erwarten ist, wenn Pässe ablaufen und burmesische Botschaften gegebenenfalls nicht bereit sein werden, diese zu verlängern.

Menschen ohne Reisepass können in die Staatenlosigkeit abgleiten. Beim Entgegenwirken dieser Situation sollte auf der Agenda der internationalen Gemeinschaft auch Myanmar stehen.

Further Readings

Tendayi Bloom, Lindsey N. Kingston Bloom. Eds. 2021. Statelessness, Governance, and the Problem of Citizenship. Manchester: Manchester University Press

Atena Stefania Feraru. 2021. Weak States, Vulnerable Governments, and Regional Cooperation. London: Routledge

Yukiko Nishikawa. 2010. Human Security in Southeast Asia. London: Routledge

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