Essen wie in Myanmar

Das Frachtgeschäft in Myanmar boomt. Grund sind die Essgewohnheiten der Exil-Burmes:innen

Homesick refugees and migrants living in exile all over the world are yearning for Burmese food, triggering an economic boom for freight companies which organize deliveries from Myanmar. Eating habits used to be a typical cultural marker in the research of migration.

Burmese Tealeaf Salad. photo: vietworldkitchen.com

Menschen, die aus verschiedenen Gründen gezwungen sind,  ihre Zukunft in einem anderen Land zu suchen, wollen früher oder später Gewohntes essen. Es entsteht der Wunsch nach vertrauten Lebensmitteln, Speisen und Gerichten.

Flucht und Migration erfordern schwierige Entscheidungen und verlangen extreme, oft ungewollte Anpassungsleistungen. Vertrautes Essen wird dann zu einer Brücke in das zurückgelassene Leben. Es bedeutet, die eigene Kultur auch in fremder Umgebung leben zu können. Dies vermindert Stress und psychischen Druck. Es dient der Gesundheit.

Hunderttausende Menschen haben in den letzten zwei Jahren Myanmar verlassen. Sie vergrößern die burmesische Exilcommunity, die weltweit zerstreut ist und im Jahr 2020 auf 3,5 Millionen Menschen geschätzt wurde.

Zwar gehen aktuell die meisten Migrant:innen aus Myanmar in die Nachbarländer Indien und Thailand, jedoch waren und sind Länder des Mittleren Ostens und Europas, die USA, Kanada und Australien ebenso Ziel des Exils.

Die Sehnsucht nach Myanmar ließ nun einen Boom im burmesischen Frachtgewerbe entstehen.

Tee und Trockenfisch

Wie Frontier kürzlich berichtete, hat sich das Frachtgeschäft in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Es sind Lebensmittel wie Tee, Trockenfisch und Fischpaste, die Familienangehörige und Bekannte ins weltweite Ausland verschicken.

Zwar gilt sie als luxuriös,  aber dennoch ist die Luftfracht das Mittel der Wahl. Inzwischem verkaufen Passagiere ihre “baggage allowance” von umgerechnet 30 € an Frachtunternehmen. Seefracht bleibt eine weitere Möglichkeit und Fracht über Land läge zwar nahe, ist aufgrund der politischen Situation in Myanmar jedoch unbeliebt. Kund:innen bevorzugen die teuren Transportkosten der Luftfracht gegenüber Transporten über Land. Diese bergen wegen der militärischem checkpoints auf den Straßen, den dortigen akribischen Kontrollen, “tea-money“ (Bestechungsgeld) und den daraus folgenden langen Wartezeiten besonders in Richtung Mae Sot/Thailand große Unsicherheiten.

Ein neuralgischer Punkt ist beispielsweise der checkpoint Nyaung Khar Shey, punktgenau zwischen der Region Bago und dem Mon Staat. Ursprünglich als strategisch günstig gelegenes Covid-19 Testzentrum errichtet, handelt es sich mittlerweile um einen Kontrollpunkt, bei dem das Militär durchfahrende Transporte auf Waffen und Widerstandskämpfer:innen durchsucht, indem per Röntgengerät Risse und Hohlräume durchleuchtet werden. Tagelanges Warten ist mitunter die Folge.

Dass das Militär ganz offiziell durch die normale Besteuerung an dem neuen Boom mitverdient, wird allgemein akzeptiert.

Die Frachtunternehmen sind teilweise frisch gegründet, viele davon in Thailand, und sie bieten ihren Service online an. Allein auf Facebook präsentieren sich um die 50 Unternehmen. Dies ist eine Geschäftsidee und eine Marktchance zugleich, hat jedoch auch zur Folge, dass es mitunter zu „scamming“, also online-Betrug durch Dritte, kommt.

In den meisten Fällen erreichen die Pakete ihre Adressat:innen.

Langfristig gesehen gelten migrantische Essgewohnheiten als ein Gradmesser der sogenannten Akkulturation. Sie machen sichtbar, inwieweit sich die “Neuen” und die Aufnahmegesellschaft angenähert haben. Die Aufnahmegesellschaft, so zeigt es die Migrationsforschung, versteht sich bestenfalls nicht nur als Gebende, sondern auch als Nehmende.

Dies dient der sozialen Kohäsion, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Sources

„Myanmar migrants and refugees fuel freight services boom“. Frontier Myanmar. 27.4.2023

Hortense Powdermaker. 1968 (2.). After Freedom. A Cultural Study in the Deep South. Erstveröff. 1939. o.O., Zweitveröff.: New York.

Francesco della Puppa. 2017. „Come a casa mia“: pratiche, alimentari, intersezioni identitarie e attraversamenti urbani nell’esperenzia dell’immigrazione. In: Quaderni di Sociologia. 2017. 76 (2018). 127-145

Veronika Zwerger. Ursula Seeber. 2018. Küche der Erinnerung: Essen und Exil. u.a. Wien

updated: March 1, 2024

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