“Leaving Myanmar”

Bedingt durch die derzeitige US-Handelspolitik, verlässt ein weiteres Unternehmen aus der Textilbranche Myanmar. In einem schwierigen Arbeitsumfeld haben sich die Näherinnen dennoch einen internationalen Ruf beim Nähen von Outdoor-Kleidung erworben.

updated 09/28/2025

Arbeitsschutzmaßnahme in einer Fabrik in Hmawbi (2017): Junge Männer, nicht junge Frauen arbeiten an den Bügelmaschinen. photo: CM

Ein weiteres Unternehmen verlässt Myanmar.

Laut Irrawaddy hat Twinkel Leatherware Co., Ltd. Myanmar seit August seine Geschäftstätigkeit im Land eingestellt. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hong Kong produziert unter anderem Samsonite-Reisetaschen und Bekleidung für die Märkte in Nordamerika und Westeuropa. In Myanmar beschäftigte es 200 Mitarbeiter im Industriegebiet Shwe Pyi Thar im Nordwesten Yangons. Dort wurde seit 2019 produziert, als die US-Zölle noch bei rund 20 Prozent lagen.

Im Juli 2025 kündigte US-Präsident Donald Trump höhere Zölle auf US-Importe an. Die merkantilistische Maßnahme ist ein Jahrhunderte alter Weg, die eigenen Märkte schützen: Die Exporte werden gefördert, die Importe hingegen über hohe Zölle reduziert. Dieses Vorgehen hat den Nebeneffekt, von der eigenen Bevölkerung als staatliche Fürsorge wahrgenommen zu werden.

Die US-Handelspolitik betrifft den gesamten Welthandel, so auch die asiatischen Märkte. Während Südkorea zunächst über „gegenseitige Zölle von 25 Prozent“ verhandelte und schließlich 15 % für seine Exporte in die USA erwirkte (Politico: 30.07.2025), wurde der Tarif für Myanmar auf 44 Prozent erhöht und später dann auf 40 Prozent gesenkt.

Die Reduzierung erfolgte nach einem Austausch zwischen Präsident Trump und Senior General Min Aung Hlaing. Die International Crisis Group sah in diesem Schriftwechsel „die erste Form der Anerkennung des burmesischen Militärrats von Myanmar durch die US-Regierung überhaupt“ (CBS news 11.07.2025).

40 Prozent US-Importzölle gelten in Myanmar immer noch als zu hoch. Sie sind für Twinkel Leatherware Co., Ltd. die vorgebliche Erklärung, Myanmar zu verlassen.

Diese Entscheidung bedeutet den Verlust des Arbeitsplatzes und ökonomische Unsicherheit in einer ohnehin prekären Situation.

Bereits vor zwei Jahren (2023) hieß es in einer Publikation der EU-Außenhandelskammer, EuroCham, dass sich die Arbeitskräfte in der Textilbranche – geschätzt sind es 480 000 – um die eigene Zukunft und die ihrer Kinder sorgten. Der Ernährungsstatus war schon zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend (EuroCham. 2023: 14).

Arbeitsstandards

Die in vielen Ländern Süd- und Südostasiens etablierte Cut, Make and Pack-Industrie (CPM) benötigt keine Fachkräfte. Ausländische Investoren beteiligen sich in der Regel nicht daran, eine Ausbildung in der Bekleidungsindustrie zu unterstützen.

In Myanmar reicht es als Qualifikation zunächst aus, “vorzunähen”. In einem Schnellkurs werden dann spezifische Kenntnisse vermittelt, um die Erwartungen der Fabrikleitung bzw. diejenigen der Auftraggeber erfüllen zu können.

Vor dem coup d’état (2021) gab es ein hohes internationale Engagement, um die Situation in der Bekleidungsindustrie Myanmars zu verbessern. Verschiedene Programme, besonders auch der Europäischen Union, orientierten sich an den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization. ILO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen.

Ziel dieser Programme für Myanmar war und ist es, global geltende Standards für “gute Arbeit”, decent work, zu etablieren. Hierzu gehören die Zulassung von Gewerkschaften und Betriebsräten, Sicherheit am Arbeitsplatz, ein garantiertes Streikrecht und Kündigungsschutz, Verbot von Kinderarbeit, eine gute Bezahlung und realistische Produktionsziele.

Eine rücksichtslose Ausnutzung der Arbeitskraft soll verhindert und eine solide ökonomische Zukunft ermöglicht werden.

Infolge des coups wurden Fortschritte, die in der Öffnungs- und Übergangsphase Myanmars in diesem Industriesektor erzielt worden waren, zunichte gemacht oder stark zurückgenommen.

Allerdings war auch unter der NLD-Regierung Daw Aung San Suu Kyis der Mindestlohn von täglich 4800 MMK seit 2018 nicht erhöht worden.

Aus verschiedenen Gründen wurde dieser dann am 01.08 2024 auf 6800 MMK (US $ 3,23 / € 2,75. Stand September 2025) festgesetzt. Hiermit liegt er höher als beispielsweise in Laos, aber unter demjenigen Kambodschas und auch unter dem des Mindestlohnsystems Vietnams. Doch einzigartig in Süd- und Südostasien, wird Wochenendarbeit in Myanmar ab der fünften Arbeitsstunde mit einem 200prozentigen Aufschlag entlohnt.

H#M und Primark

Billiganbieter wie das schwedische Unternehmen H#M, zweitgrößter Modehändler der Welt, oder der irische Bekleidungsdiscounter Primark sind schon länger keine „buyer“ mehr in Myanmar. H#M verließ das Land im August 2023, Primark beendete die Auftragserteilung im Oktober 2022.

Die politische Situation des Landes wird im unternehmerischen Denken nicht nur mit eigenen wirtschaftlichen Risiken aufgrund der Kriegssituation und der Sanktionen verbunden, sondern auch mit Reputationsverlust.

EuroCham prognostizierte 2023 eine langfristige Tendenz, dass zunehmend asiatische Unternehmen Aufträge erteilen würden, deren Hauptfokus auf Billigproduktion ungeachtet der Arbeitsbedingungen liegen werden.

Auch der deutsche Hersteller Adidas hat, wie das Medienportal Irrawaddy zuletzt im Mai 2025 berichtete, bisher nicht die Chance wahrgenommen, sich für die Arbeitskräfte in den von ihm beauftragten Fabriken einzusetzen. Vielmehr schloss das Unternehmen Ende Juli 2025 sein Büro in Yangon und machte zugleich bekannt, weiterhin in Myanmar fertigen zu lassen. (Myanmar Now, 31.07.2025)

Bei allen strukturellen und handelspolitischen Schwierigkeiten hebt EuroCham positiv hervor (2023: 4,14), dass sich die Arbeiterinnen an den verschiedenen Fertigungsstandorten in Hmawbi, Hlaing Thayar oder Shwe Pyi Thar einen hervorragenden Ruf beim Fertigen von outdoor-Sportkleidung erworben haben, womit sie eine Nische füllen. Hierbei handelt es sich vor allem um das schwierige Nähen wattierter Stoffe für gequiltete Kleidung.

Qualitätskontrolle von Produkten für “Urban Outfitter”(2017). photo: CM

Sources

CBS NEWS. 11.07.2025. „Why Myanmar’s military ruler offered Trump his ‚sincere appreciation‘ for a letter warning of steep tariffs.“. https://www.cbsnews.com/news/myanmar-military-junta-trump-sincere-appreciation-sanctions-letter/. retr. 14.09.2025

European Chamber of Commerce in Myanmar.  Myanmar Garment Sector FACTSHEET  Yangon: November 2023. https://a.storyblok.com/f/220541/x/3c41b925d6/myanmar-garment-sector-factsheet_november-2023.pdf. retr. 19.09.2025

Myanmar Now. 31.07.2025. “Adidas to close Myanmar office, but keeps factory orders flowing”. https://myanmar-now.org/en/news/adidas-to-close-myanmar-office-but-keep-factory-orders-flowing/. retr. 19.09.2025 [paywall]

Politico. 30.07.2025. “US and South Korea reach trade agreement”. https://www.politico.com/news/2025/07/30/us-south-korea-trade-agreement-00485888. retr. 27.09.2025

The Irrawaddy. 29. 08. 2025. “Samsonite Bag Factory in Myanmar Shuts Down Over Trump Tariffs“. https://www.irrawaddy.com/business/samsonite-bag-factory-in-myanmar-shuts-down-over-trump-tariffs.html. retr. 19.9.2025

The Irrawaddy. 16.05.2025. “Workers at Adidas Factory in Myanmar Strike for Living Wage”. https://eurocham-myanmar.org/wp-content/uploads/2023/11/Myanmar-Garment-Sector-Factsheet_November-2023.pdf. retr. 27.09.2025

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *